Zeitlos
Nach diesem Motto scheint sich die Welt in vielen Bereichen zu richten. Schneller essen. Schneller lieben. Schneller wohnen. Wir sind in ständiger Bewegung. Wir überholen, ohne einzuholen. Wir sind auf Speed und außer Atem. Wir könnten den Anschluss verpassen. Zwar meldet sich manchmal diese kaum wahrnehmbare, mitunter etwas unheimliche Stimme, und flüstert die großen Fragen: Woher komme ich? Wohin gehe ich? Aber auch das ist schnell vorbei, wie alles andere auch.
Sich Zeit nehmen für Geschwindigkeit.
Wie sieht Geschwindigkeit eigentlich aus? Was kommt dabei heraus, wenn man die normale Geschwindigkeit erhöht und schneller als sonst in den Alltag schaut: Menschen auf der Straße, Bäume am Weg, das Gebäude gegenüber? Eintauchen in die Geschwindigkeit. Eintauchen in die Vergänglichkeit. Eintauchen in das, was die Mystiker des Abendlandes das Nunc Fluens, das „Fließende Jetzt“ nannten.
Und dann?
Gibt es hinter allem Sichtbaren etwas, das bleibt? Das Nunc Stans, das „Ruhende Jetzt“ der Mystik, das so ganz und gar anders sein soll als das Nunc Fluens? Ein Jetzt der Ewigkeit. Ein Jetzt der Zeitlosigkeit. Ist es in der Ruhe anzutreffen? Ist es in der Geschwindigkeit anzutreffen? Wie gelangt man hin?
Loslassen. Ankommen im Jetzt. Zeitlos.
Ulrich Soeder, im Januar 2006